Ein reales und doch fiktives
Interview mit GSIW
Guten Tag
Ich wurde an Sie verwiesen. Ich recherchiere für die Schweizer Zeitung X Y
und mein Anliegen ist das folgende:
In den letzten Tagen hat die Neue Luzerner Zeitung darüber berichtet, dass
die islamische Gemeinschaft eine
öffentlich-rechtliche Anerkennung erreichen möchte (Teil der Landeskirche).
Ein entsprechender Gesetzesentwurf ist derzeit in Arbeit; die Reaktionen bei den
politischen Parteien seien gemischt, heisst es im
Bericht weiter.
In diesem Zusammenhang möchte nachfragen, wie es im Kanton Zürich um diese
Fragestellung steht.
1.
Gibt es diese Bestrebung der Muslime auch?
2.
Warum oder warum nicht?
3.
Was könnten sich Muslime in der Schweiz von einer
öffentlich-rechtlichen Anerkennung erhoffen?
4.
Die Luzerner Zeitung berichtet, die Islamische
Gemeinschaft könnte durch die Anerkennung als Teil der Landeskirche von den
Muslimen eine Art Kirchensteuern erheben. Wäre das im Kanton Zürich genauso?
5.
Was wären die Nachteile einer öffentlicht-rechtlichen
Anerkennung? Für Institutionen/für Mitglieder?
Ich wäre froh, wenn Sie mir baldmöglichst mitteilen könnten, an wen ich die
oben genannten Fragen richten soll. Ich bedanke mich für Ihre Bemühungen und
verbleibe mit freundlichen Grüssen,
F.S.
14.9.09
Fragen/Antworten
1.
Gibt es diese Bestrebung der Muslime auch?
Diese Bestrebung der Muslime nach öffentlich
rechtlicher Anerkennung gibt es langfristig natürlich auch in Zürich. Eine
entsprechende Umsetzung ist aktuell allerdings weder vorgesehen noch geplant.
2.
Warum oder warum nicht?
Die Anerkennung als Körperschaft öffentlichen Rechts
bedarf einer sorgfältigen Vorbereitung und u.a. des Aufbaus einer
professionellen Verwaltungsstruktur. Zurzeit haben wir als Dachorganisation das
von uns angestrebte Niveau noch nicht erreicht.
3.
Was könnten sich Muslime in der Schweiz von einer öffentlich-rechtlichen
Anerkennung erhoffen?
Öffentlich rechtliche Anerkennung ist zwar kein Garant
dafür, für die Muslime und ihre Religion eine größere Akzeptanz unter der
Bevölkerung zu erwirken - was nur durch eine bessere Zusammenarbeit bei und
durch gemeinsame Beteiligung an der Lösung von öffentlichen Anliegen möglich
wird - so wird doch durch diese Anerkennung die Kooperation mit den Behörden
und anderen öffentlich relevanten Stellen auf ein besseres, da
verbindlicheres Mass gehoben, wodurch alle Bewohner
im Land profitieren sollten.
Vor allem kann nicht nur auf die Bedürfnisse der
Muslime aufgrund der engeren Vernetzung mit den behördlichen Stellen besser eingegangen , sondern auch die Anliegen der Schweizer
Bevölkerung können in partnerschaftlicher, schweizerischer
Konfliktlösungsmethodik auf allen politischen Ebenen besser berücksichtigt
werden.
4.
Die Luzerner Zeitung berichtet, die Islamische Gemeinschaft könnte durch
die Anerkennung als Teil der Landeskirche von den Muslimen eine Art
Kirchensteuern erheben. Wäre das im Kanton Zürich genauso?
Die gesetzlichen Voraussetzungen wären wohl in etwa
genauso. Wie, in welchem Ausmaß und ob überhaupt solch eine
sogenannte Kirchensteuer eingehoben würde, ist von den muslimischen
Vereinigungen und vom Dachverband noch nicht beraten und schon gar nicht
entschieden worden.
5.
Was wären die Nachteile einer öffentlicht-rechtlichen
Anerkennung? Für Institutionen/für Mitglieder?
Nachteile einer öffentlich-rechtlichen Anerkennung,
sind - wie dies auch von der katholischen Kirche in etwa empfunden wird, dass
eine gewisse Autonomie verloren geht und eventuell auch, dass im Laufe der Zeit
eine gewisse Abhängigkeit der Gemeinschaft und vor allem der bezahlten
Funktionäre zum Staat, zum Status Quo entstehen könnte, welche sich
negativ auf die Eigenständigkeit und auf den Rückbezug der Führungsgremien auf
die Bedürfnisse der Basis auswirken könnten.
Bei einer grundsätzlich basisdemokratischen
Ausrichtung, ohne dabei die Anforderungen islamischer Führung und
Rechtleitung zu vernachlässigen, sollten die zu erzielenden Vorteile die
genannten möglichen Nachteile allerdings überwiegen.
mfG
M. Hanel, VP – GSIW
14.9.09