Das RINGEN um WORTE – bi ithni ALLAH

 

Zum OG Urteil in Hinblick auf das oben erwähnte, verpflichtend gemachte Schwimmen in Schulen für muslimische Mädchen unter männlichem Lehrpersonal.[1]

 

Manche Sprecher der Muslime meinen in etwa,

-          "Dieser Beschluss schränkt das Mädchen massiv in seiner Glaubens- und Gewissensfreiheit ein" und weiter – man

-          "anerkennt das Entgegenkommen der Schule, sowie des Bundesgerichtes, bezüglich des Burkinis."

 

Beide Äußerungen sind NICHT sonderlich geeignet, die Anliegen der Muslime positiver Erfüllung zuzuführen, sondern höchst kontraproduktiv und genügen daher nicht, in eine gemeinsame Stellungnahme der Muslime aufgenommen zu werden.[2]

 

BEGRÜNDUNG:

 

Allgemein ist zu sagen, dass zum erfolgreichen Abschluss einer Verhandlung, die größtmögliche AKZEPTANZ und BERÜCKSICHTIGUNG der (aus seiner Sicht berechtigten) SICHTWEISE des Verhandlungspartners erforderlich ist. Man hat ihn "abzuholen" – nicht zurückzustoßen, man hat eine von "99 Ausreden zu finden", nicht ihn durch Abweisung zu brüskieren!

 

Der Prophet (saws) sagte: "Sprecht verständlich zu den Leuten".

 

Das bedeutet natürlich, die Sprache des anderen zu sprechen, aber noch viel mehr, sich im gleichen VERSTÄNDNIS zu bewegen, sich gleicher Argumentationsregeln und der Logik zu bedienen, den gleichen Kontext zu berücksichtigen und all die sich daraus ergebenden Konsequenzen für sich selbst und den anderen verbindlich UMZUSETZEN.

Denn ganz allgemein hält jeder sich selbst für den Rechthabenden – so hat GOTT es verfügt[3] und wer dies nicht berücksichtigt, macht bestimmt einen Fehler!

Auch bedeutet dies, sich nicht einer Sprache, eines Vokabulars, eines "Tons"[4] zu bedienen, für welchen der Andere KEIN VERSTÄNDNIS aufzubringen vermag! Es sei denn, man legt es bewusst auf eine PROVOKATION an. Ein Vorgehen, welches als gerechtfertigte Ausnahme mitunter zur Anwendung kommen darf.

 

Gleich zur "AUSNAHME:

Nur weil erst die "AUSNAHME die Regel BESTÄTIGT", bedeutet dies MITNICHTEN, dass deshalb die Ausnahme zur Regel gemacht werden dürfe oder gar müsste, wie dies von vielen Minderheiten (aller Länder und Farben) verständlicherweise und doch inakzeptabel, gerne geglaubt wird, wenn es darum geht, ihre (für sie selbst oder sogar ganz allgemein) legitimen MINDERHEITENRECHTE gegen das Mehrheitsverständnis und -recht durchzusetzen!

 

Um eine Ausnahme als gerechtfertigte Ausnahme der gesetzlichen Regel gelten zu lassen, ist es unabdingbar, diese Ausnahme widerspruchsfrei zu begründen und darzulegen, dass das Zulassen der Ausnahme in bestimmten Fällen, zum Vorteil der Minderheiten und Mehrheiten ist. Den Vorteil allerdings damit zu begründen, dass ansonsten unweigerlicher Konflikt oder gar Kampf ausbrechen werde, ist wohl – menschlich, logisch, islamisch gesehen - das letzte ins Treffen zu führende Argument. Auch wenn es für den Menschen (egal welcher Religion er sich zurechnet) weniger geistiger Anstrengung bedarf, sich dieses Arguments und dieser Strategie der Gewalt zu bedienen.

 

Denn, um der Ausnahme das NACHHALTIGE[5] Recht der Umsetzung zu gewähren, MUSS dies der "REGELBESITZER" WOLLEN!

Dieses Wollen MUSS auf mindestens zwei Arten positiv vorbereitet werden, damit es auch umgesetzt wird.

 

a.)    Die ARGUMENTE müssen den VERSTAND überzeugen … denn wenn dies gelingt, WILL "man" doch nicht UNVERNÜNFTIGER WEISE die Ausnahme verhindern! Wer will schon als bewiesenermaßen UNVERNÜNFTIGER GESETZGEBER bloßgestellt werden?

b.)    Der VORTAG des Anliegens muss dem GEMÜT wohltun, es dem Regelbesitzer geradezu beliebt machen, die AUSNAHME umzusetzen! Denn WER will nicht gerne mal, die Regeln LEGITIMERWEISE übertreten?

 

Dies soll vorerst genügen, um die Unzulänglichkeit obiger Veröffentlichungen allgemein zu verstehen.

 

ZUM konkreten TEXT

 

"Dieser Beschluss schränkt das Mädchen massiv in seiner Glaubens- und Gewissensfreiheit ein"

 

In diesem Satz ist das Wort "massiv" der spitze Stein des Anstoßes.

 

Dazu muss man wissen,

a.)    dass das Oberste Gericht (OG), also aus der juristischen Sicht der Mehrheitsgesellschaft, konstatiert wird, dass eine, allerdings nur "minimale" und daher zu akzeptierende Einschränkung der G&GF vorliegt – ein Zugeständnis, welches geradezu fahrlässigerweise in der Originalstellungnahme gar nicht angesprochen wird. Eine Feststellung, die aus dem bis daher erworbenen Kenntnisstand tatsächlich nicht anders als korrekt eingestuft werden kann,

b.)    dass die Schule der Schülerin
Einzelumkleidekabinen,
Einzelduschkabinen,
geschlechtergetrennten Schwimmunterricht zu Verfügung stellen und
das Tragen eines Burkinis gestattete

Es widerspricht jedweder Logik und menschlichem Verständnis, dieses massive ENTGEGENKOMMEN als massive EINSCHRÄNKUNG zu bezeichnen. Erst recht wurde verabsäumt überhaupt darzustellen, warum dieses objektive Entgegenkommen (siehe Punkt b.), aus der Sicht der Mehrheitsgesellschaft das sogar maximale ENTGEGENKOMMEN, als massive Einschränkung zu verstehen wäre!

Solche Darstellung, so mein Erachten, wird weder Muslimen, noch sonst jemandem unter aktuellen Umständen glaubhaft gelingen. Siehe die Analyse zur zweiten Aussage in Hinblick auf den Burkini.

 

Mögliche alternative Formulierungen könnten z.B. sein:

a.       "Dieser Beschluss schränkt das Mädchen bedauerlicherweise auch weiterhin in seiner Glaubens- und Gewissensfreiheit ein"

oder

b.      "Dieser Beschluss schränkt das Mädchen in seiner grundsätzlichen, zu bewahrenden Glaubens- und Gewissensfreiheit ein"

 

Die erste Variante drückt wenigstens die Anerkennung bestimmter Berücksichtigen aus, die allerdings noch immer nicht den Kern der Beanstandung treffen. Siehe Analyse zur zweiten Aussage.

 

Die zweite Variante weist auf die muslimische Auffassung hin, dass die Grenzen der Schamhaftigkeit von niemandem nach oben gezogen werden darf, als von der betroffenen Person selbst.

 

 

-          "anerkennt das Entgegenkommen der Schule, sowie des Bundesgerichtes, bezüglich des Burkinis."

 

Die Fehler der ersten Textstelle liegen hauptsächlich in der groben Nichtberücksichtigung der objektiven entgegenkommenden Sachverhalte (die auch sonst nirgendwo in der Medienmitteilung anerkennend erwähnt wurden), in der Verweigerung jeglicher Anerkennung der Bemühungen der Schule und in der Folge auch im Fehlen jeglicher Begründung dieser Brüskierung und Zurückweisung – also in einer völlig zurecht wahrgenommenen ÜBERTREIBUNG - Der weit gröbere Fehler in der zweiten Textstelle, die noch dazu in Form einer Anerkennung ausgedrückt ist (eigentlich ist hier sogar zulässig zu sagen, " in Form einer Anerkennung getarnt ist") ist weit problematischer.

Dies deshalb, weil er, wie im Folgenden dargelegt wird, die Glaubwürdigkeit der verlautbarenden Organisation (und somit letztlich der Muslime ganz allgemein, wenn man berücksichtigt, dass hier sofort Verallgemeinerungsprozesse anlaufen) zerstört!

Dass dies den, für die entsprechende(n) Veröffentlichung(en) Verantwortlichen möglicherweise gar nicht bewusst ist, sie sich diese Zusammenhänge ev. auch gar nicht bewusst zu machen gewillt sind[6], hebt das Nichtvorhandensein einer kompetenten, vereinheitlichenden Führung unter den muslimischen Verbänden,  umso tragischer ins Bewusstsein.

 

Dazu muss man wissen:

 

a.)    Dass die allermeisten Muslime, wie auch mehr oder weniger alle Nichtmuslime der Ansicht sind, dass durch das Tragen eines "Burkinis" das Problem für Musliminnen in der Öffentlichkeit zu schwimmen (auch unter den Augen fremder Männer) gelöst wäre.
Sie sind der weltweit kolportierten und bislang auch von muslimischer Seite noch niemals öffentlich widersprochenen Meinung, dass der "Burkini" gerade für diesen Zweck "erfunden" und entwickelt wurde und damit den Ansprüchen sogenannt "Strenggläubiger" genüge.
Daher ist die Mehrheitsgesellschaft zu Recht der Meinung, den islamischen Ansprüchen mit genannter Schulregelung maximal entgegengekommen zu sein.

b.)    Dass die islamrechtlich tatsächlich legitime, zulässige und den Verfassern der Medienmitteilung bekannte und für sie zu berücksichtigende Lehrmeinung ist, dass das Tragen eines "Burkinis" von den Imamen[7] in der Schweiz NICHT unbedingt als Legitimation erachtet wird, dass die durch dieses Kleidungsstück bedeckte Frau[8]  sich den Blicken anderer Männer aussetzen dürfe oder gar müsste.

 

Daher ist es nicht verwunderlich, ja gar nicht anders möglich, die zum Ausdruck gebrachte "Anerkennung"  des zulässig gemachten Gebrauchs des Burkinis als Widerspruch und geradezu Täuschung anzusehen. Dies umso mehr, als der Verhandlungspartner nicht in Kenntnis darüber gesetzt wurde,  dass diese Maßnahme – gerade für die betroffene Minderheit von Strenggläubigen – offenbar keine akzeptable Alternative ist!

 

Dieses Verschweigen einer legitimen islamischen Tatsache einerseits und andererseits das positive Hervorheben eines eigentlich "wertlosen" Zugeständnisses, MUSS für den nichtmuslimischen Verhandlungspartner Grund sein, im muslimischen Verhandlungspartner KEINE verlässliche, vertrauenswürdige, aufrichtige und offene Institution zu sehen.

Solche Ergebnisse zu erzielen, die letztlich auch mehr oder weniger genauso in der Öffentlichkeit früher oder später wahrgenommen werden, kann weder im Interesse der Mehrheitsgesellschaft, noch im Interesse der muslimischen Vertretungsinstitution oder jedes einzelnen Muslims selbst sein.[9]

EMPFEHLUNG:

 

Daher wird der muslimischen Gemeinschaft in der Schweiz dringend empfohlen, wenigstens eine gemeinsame Pressestelle einzurichten, in welcher alle wesentlichen Verlautbarungen der in der Schweiz in der muslimischen Öffentlichkeitsarbeit engagierten Personen der verschiedensten Vereine und Verbände abgesprochen und koordiniert und konsenualisiert[10] werden.

Auch die Gründung eines aktuell gehaltenen Dokuments wird an dieser Stelle empfohlen, welche all diese tatsächlich GEMEINSAM gutgeheißenen Verlautbarungen vereint und abrufbar hält.

Für die Deutsch sprechende Schweiz wären in erster Linie folgende Institutionen zu nennen: 

BMK, DIGO, FIDS, IZRS, KIOS, VAM, VIOZ

 

Wobei FIDS der Dachverband für DIGO und VAM ist, KIOS der Dachverband für BMK.

Somit bliebe eine muslimische Presse- und Medienkoordinationsstelle zu installieren, die mit jeweils einer verantwortlichen Person aus FIDS, IZRS, KIOS und VIOZ beschickt wird.

Es sollte auch rein praktisch gesehen, kein zu großes Problem für 4 kompetente Personen aus diesen angesprochenen Organisationen sein, zu einer gemeinsamen Erklärung zu einem bestimmten Thema innerhalb von 24 Stunden gelangen. Diese "Reaktionszeit" hat auch der Presse zu genügen – jedenfalls solange die Muslime nicht über eine öffentlich rechtlich anerkannte Institution verfügen.

 

Grundsätzlich ist gegen vorgängig unterschiedliche unabhängige Stellungnahmen nichts einzuwen­den, solange eine Abschlusserklärung verfasst wird, welche alle Standpunkte verständlich, einander ergänzend – nicht einander widersprechend - darzustellen vermag. EINE ISLAMISCHE POSITION

 

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[1] Hinweis: es ist allerdings bezeichnend, dass es immer nur um das Schamgefühl der Mädchen und Frauen und kaum um das der Männer und Jungs geht! Man denke sich den umgekehrten Fall, dass pubertierende muslimische Jungen unter den Augen einer weiblichen Lehrkraft den Schwimmunterricht besuchten.

 

[2] Siehe die GSIW Dokumentation: http://muslime.forumprofi.de/thema-anzeigen-oberster-gerichtshof-schwimmen-2013-t87.html#325

 

[3] Doch schmähe nicht jene [Dinge] die sie anstelle Gottes anrufen, damit sie nicht Gott aus Trotz und in Unwissenheit schmähen; denn, wahrlich, Wir haben jeder Gemeinschaft ihr Tun gut erscheinen lassen. Beizeiten müssen sie [allerdings] zu ihrem Erhalter zurückkehren; und dann wird Er sie all das [wirklich] verstehen lassen, was sie getan haben. (Qur'an  6:108)

 

[4] Europäisches Sprichwort: "Der Ton macht die Musik"

[5] Hier geht es um die Umsetzung von dauerhaft gültigen gesetzlichen Ausnahmeregelungen aufgrund religiöser oder anderer Erfordernisse von Minderheiten, welche der momentan gesetzlichen Mehrheitsnorm entgegenstehen, nicht darum, EINMAL eine Ausnahme zu erwirken.

[6] Nicht nur durch die persönliche oder kollektive grundsätzliche Weigerung Belehrung durch "Nicht-intragruppenzugehörige" anzunehmen oder die Weigerung z.B. durch (muslimisch organisierte) Weiterbildung auf den Gebieten der (Medien)kommunikation, psychologische Zusammenhänge, soziale Wissenschaften, Sprachbeherrschung, Argumentationskunst und Logik, etc. sich auf ein entsprechendes Bildungsniveau zu heben.

 

[7] Hier sind die Gelehrten in islamischem Recht gemeint.

[8] Allgemein gilt als Frau jede weibliche Person, welche die Gebärfähigkeit erreicht hat.

[9] Man stelle sich nun vor, es gäbe tatsächlich eine offizielle und auch rechtlich anerkannte Dachorganisation der Muslime im Land und ihre Medienstelle ließe solch eine Stellungnahme verlautbaren … stünde dem verantwortlichen Leiter dieser angenommenen Medienstelle nicht vielleicht bevor, befördert zu werden? Erst recht, wenn der Leiter dieser Medienstelle, angenommen "gutmeinend", der Meinung wäre, dass der Text der ursprünglich verschickten Medienerklärung dann im eigenen Archiv – "verschönbessert" werden könnte und somit die Sache ohnehin wieder behoben wäre – ?

 

[10] Das bedeutet nicht unbedingt, dass alle vertretenen Mediensprecher einer Meinung sein müssen, wie dies von wenig weitblickenden Geistern abgetan wird, sondern, dass in den Verlautbarungen ALLE (durchaus auch unterschiedlichen) islamisch anerkannten Aspekte ANGESPROCHEN und daher zur fairen öffentlichen Debatte freigegeben werden!